Steuerhinterziehung: großes Ausmaß ab 50.000 €
Ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung liegt nach dem Gesetz in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) in der Regel vor, wenn der Täter in großem Ausmaß Steuern verkürzt. Fraglich ist, wann ein solches großes Ausmaß vorliegt.
Strafmaß bei Steuerhinterziehung
Steuerhinterziehung wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bestraft, es sei denn es liegt ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vor. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren. Eine Geldstrafe kommt bei einem besonders schweren Fall nicht mehr in Betracht. Ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung liegt u.a. in der Regel vor, wenn der Täter in großem Ausmaß Steuern verkürzt. Über die Frage, wann ein solches großes Ausmaß vorliegt, entschied der Bundesgerichtshof im Jahr 2015 (s. Urteil vom 27.10.2015, 1 StR 373/15).
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH)
Bis zum genannten Urteil des BGH aus dem Jahr 2015 unterschied der BGH. Bei einem bloßen Verschweigen von Einkünften oder Umsätzen ging der BGH von einer Wertgrenze von 100.000 € aus. Bei einer Steuerhinterziehung durch aktives Tun lag aber schon damals die Wertgrenze: bei 50.000 € (der BGH sprach hier insoweit von einem „Griff in die Kasse“).
Seit dem BGH-Urteil vom 27.10.2015, 1 StR 373/15) unterscheidet der BGH nicht mehr. Stattdessen hält er eine einheitliche Wertgrenze von 50.000 € für angemessen. Der BGH begründet wird dies wie folgt:
- Eine einheitliche Wertgrenze von 50.000 € gilt entsprechend bei den Regelbeispielen des Herbeiführens eines Vermögensverlusts großen Ausmaßes in anderen Straftatbeständen.
- Das Gesetz unterscheidet beim Straftatbestand der Steuerhinterziehung nicht zwischen der Gefährdung des Steueranspruchs und dem Eintritt des Vermögensschadens beim Staat. Diese Gleichsetzung findet ihre Rechtfertigung darin, dass die falsche Steuerfestsetzung nahezu immer zu einem Schaden führen wird, weil eine nicht festgesetzte Steuer auch nicht beigetrieben werden kann und darf. Vor diesem Hintergrund zwischen Gefährdungsschaden und eingetretenem Schaden zu differenzieren, ist deshalb nicht gerechtfertigt
- Eine einheitliche Wertgrenze von 50.000 € gewährleistet zudem mehr Rechtssicherheit, weil sich die Differenzierung zwischen nicht erklärten Steuererhöhungsbeträgen und zu Unrecht geltend gemachten Steuerminderungsbeträgen und die auf Elemente des Erfolgsunrechts (Höhe des Steuerschadens) und auf Elemente des Handlungsunrechts (unterschiedlicher Gehalt des Handlungsunrechts) gestützte und deshalb schwierige Abgrenzung erübrigt, in welchen Fällen der niedrigere und in welchen Fällen der höhere Grenzwert gilt.
- Außerdem bliebe für den Tatrichter auch bei einer einheitlichen Wertgrenze von 50.000 € ausreichend Spielraum, um den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen.
Praktische Konsequenzen
Ein steuerpflichtiger kann schneller als gedacht in die Situation kommen, dass objektive eine Steuerverkürzung in großem Ausmaß vorliegt ohnd dass dies gewollt ist. So werden gerade im Unternehmensbereich bei der Umsatzsteuer schnell solche Wertgrenzen von 50.000 € erreicht, so dass sich dann z.B. die Frage der Strafbarkeit des Geschäftsführers und gegebenenfalls auch der Mitarbeiter stellt. Ein anderes Beispiel ist der erbschaftsteuerliche Fall, in dem der Erblasser jahrelang Steuern hinterzogen hat, der Erbe davon Kenntnis erlangt und dem Finanzamt dies nicht unverzüglich anzeigt. Lesen Sie dazu auch unseren Beitrag „Achtung bei Steuerhinterziehung des Erblassers“.
Ein Steuerpflichtiger kann in solche Situation geraten ohne dies gewusst oder gewollt zu haben. Theoretisch liegt dann kein Vorsatz und damit auch kein strafrechtlich vorwerfbares Verhalten vor. In der Praxis kommt es aber trotzdem oftmals zu erheblichen Problemen, wenn die Strafverfolgungsbehörden trotzem von einem vorsätzlichen Verhalten ausgehen. Es stellt sich in solchen Fällen dann immer die Frage, ob eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Finanzamt in Form einer Selbstanzeige abgegeben werden sollte. Denn oftmals kann eine Strafverfolgung nur so sicher vermieden werden.
Hinweis: Besprechen Sie eine Selbstanzeige nicht mit Ihrem Steuerberater!